Ritterliche Liebe
Laut erschallen die Fanfahren
aus den auserles’nen Scharen
kommt mit selbstbewussten Schritten
ein edles, kräftiges Ross geritten.
Und auf dem Rosse sieht man ihn sitzen:
Sonnenstrahlen funkeln und blitzen
wenn sie sich am Helm reflektieren,
den bunte Federbüschel zieren.
Sein kostbarer Umhang reicht bis zur Erd‘
und bedeckt auch noch das halbe Pferd.
Für das Wappen, das auf dem Schilde prangt
hat er schon manchen Sieg erlangt.
So kommt er vor die Tribüne geritten.
Dort sieht er die lieblichste Rose inmitten
des Straußes aus all‘ den schönsten Frauen.
Er glaubt seinen Augen nicht zu trauen,
es war zum Träumen was er da
durch sein begrenztes Visier sah:
Sie bot ihm ein süßes Lächeln dar,
dann nahm sie aus ihrem Haar
die Blumen, und mit diesem Kranze
schmückte sie des Ritters Lanze:
„Edler Ritter, hochgeboren,
meine Tochter hat euch erkoren
aus der ganzen Ritterschar.
Seht, sie reicht ihr Kränzlein euch dar.
Selbst ich, der König von diesem Lande
wäre niemals dazu im Stande
ihrem Herzen zu befehlen,
sich einen Gatten auszuwählen.
Doch zum Glück für euch und mich:
Dieser Zwang erübrigt sich.
Nun, sie hat sich selbst entschieden,
dieses Eisen muss man schmieden
solang es noch im Ofen glüht.
Ihr habt euch um ihre Liebe bemüht,
empfangt nun den Lohn aus ihrer Hand –
was steht ihr da wie eine Wand?
Ihr wart so kühn am Tag der Schlacht,
was hat euch jetzt so zaghaft gemacht?“
„Mein Herr und König, was soll ich sagen?
Es hat mir einfach die Sprache verschlagen
Als ich dem Fräulein ins Angesicht sah,
ich war ihr noch nie zuvor so nah.
Ich habe ihren Blick gespürt,
der hat mir die Kehle zugeschnürt,
mein Atem geht in schweren Zügen –
Ihr wisst ich würde niemals lügen –
Ich kämpfte schon in mancher Schlacht,
hab‘ nie meinem Wappen Schande gemacht,
doch eure Tochter, so schön und rein
ist wie der wärmste Sonnenschein,
ja, wie das strahlende Sonnenlicht
das durch die Wolkenmauer bricht.
Wie geblendet steh‘ ich da,
ich weiß nicht was mit mir geschah.
Lanzen sind an meinem Schild zersplittert,
doch hat mein Herz noch nie gezittert
wie eben jetzt in dieser Stunde,
als ich von eurer Tochter die Kunde
vernahm, sie wolle zum Mann mich haben –
Am liebsten würd‘ ich von dannen traben
und mich mit tausend Feinden schlagen
als diesen Moment hier zu ertragen
wo ich so hilflos bin wie ein Kind,
weil all‘ die Worte verschwunden sind
die ich so gerne sagen würde –
Verliebt sein ist eine schwere Bürde! “
„Herr Ritter, was sind das für Worte,
und dazu noch an diesem Orte,
Wo bleiben denn eure edlen Manieren?
Ich würde jetzt ein wenig spazieren
Und wenn ihr mögt, könnt ihr mich begleiten,
an eurer Seite durch den Garten zu schreiten
würde mir viel Freude bereiten.
Eure Tapferkeit kann niemand bestreiten,
ihr könnt also entweder hier verweilen
oder mit mir diesen Augenblick teilen.
Die Rosen leuchten im Sonnenlicht,
ihr fürchtet doch ihre Dornen nicht?
Der Tag wird bald zur Neige geh’n
Lasst uns hier nicht länger stehn!
Fühlt meine Hand, wie sie schon erkaltet,
lasst sie nicht los, ich bitte euch, haltet
sie, bis wir uns wieder trennen!“
„Edles Fräulein, ich muss euch bekennen
Noch nie habe ich so etwas gefühlt.
Wenn die Liebe das Herz eines Mannes aufwühlt
Dann kommt hervor, was verborgen war.
Offen leg ich mein Herz euch dar.
Manch‘ Edelfräulein würde erschrecken
Könnte sie die Gedanken entdecken
Die hinter manch edler Stirn sich verstecken,
wo in verborgenen Spalten und Ecken
mit der Zeit der Schmutz sich häuft –
ein Morast, in dem alles Gute ersäuft.
So prüft mich nun auf Herz und Nieren,
lieber will ich mein Leben verlieren
als eure Ehre zu verletzen.
Wie Tautropfen, die die Rosen benetzten
Soll’n meine Worte für euch sein:
Erfrischend, wohltuend, klar und rein.
So viele Feinde streckte ich nieder –
Doch einer erhob sich immer wieder,
er schlug mir Wunden, die oft noch schmerzen
und wohnt in meinem eigenen Herzen.
Wie oft kämpft‘ ich gegen schlechte Gedanken
Und wies sie stets in ihre Schranken.
Edles Fräulein, was seid ihr so bleich?
Erschreckt euch nicht, seht her ich reich
Euch in ehrlicher Liebe den Arm –
Fühlt euch bei mir geborgen und warm!“
„Eure Liebe, Herr Ritter ist mir so teuer,
ich fühle, sie ist wie ein Feuer,
das die dunkle Nacht erhellt.
Was mir daran am meisten gefällt
Ist die ruhige, lodernde Glut –
Denn mancher schürt in Übermut
Die Flammen, bis ein Brand entsteht,
wodurch viel Gutes zugrunde geht.“
„Ach, liebes Fräulein, der Tag geht zu Ende,
reicht mir zum Abschied eure Hände
und es würde mich sehr beglücken
dürft‘ einen Kuss auf die Stirn ich euch drücken.
Wie gern würde ich bei euch verweilen
Und meine Liebe mit euch teilen,
so viel hätten wir noch zu besprechen,
doch lasst uns die Anstandsregeln nicht brechen.“
„Die Nacht kommt, und sie trennt uns beide,
ihr ahnt es nicht, wie sehr ich leide.
Und doch ist es nur für kurze Zeit,
morgen werden wir wieder zu zweit
durch den Garten spazieren geh’n :
Wir werden uns morgen wieder seh’n!“
So trennten sich die beiden Herzen.
Ach, was sind das für süße Schmerzen
Wenn die Trennung Kummer bereitet,
von Wiedersehenshoffnung begleitet.
Der Abend war herrlich und Sternenklar,
doch als die Nacht am finstersten war,
hörte man ein lautes Rauschen.
Die Wächter auf den Zinnen lauschten,
wie sehr sie auch in die Weite schauten,
die Ursache von diesen Lauten
konnte im Dunkeln niemand sehen.
Man wollte eben zum König gehen,
da wurde das Rauschen plötzlich zum Sturm –
man hörte Schreie vom höchsten Turm,
wo sich das Gemach des Fräuleins befand.
Auf des Turmes höchster Spitze stand
Ein furchterregender, großer Drache.
Schon stieg er herab vom Dache
Und griff mit den Klauen in das Zimmer –
Die Schreie daraus erschollen noch immer.
Plötzlich warf sich das Tier in die Lüfte,
es verströmte wirklich abscheuliche Düfte
als es die Wächter überflog,
mit seiner Beute von dannen zog.
Der Ritter stürmte ins leere Zimmer,
eine Zofe erzählte mit Tränengewimmer
von dem stattgefundenen Raube.
Schluchzend sagte sie, sie glaube,
dass das Fräulein verloren sei –
kein Drache gibt sein Opfer frei.
Da trat auch endlich der König herzu,
er gebot seinen Untertanen Ruh‘,
dann schaute er sich traurig um,
er wirkte jetzt ein wenig krumm.
„Herr Ritter, ein Schlag hat uns getroffen!
Ich sehe, es gibt nichts zu hoffen,
denn es gibt auf dieser Erde
keine ausreichend schnellen Pferde
um diesen Drachen einzuholen.
Er hat uns den wertvollsten Schatz gestohlen,
im Dunkeln wird eine Verfolgung nichts bringen,
in der Luft hinterlassen seine Schwingen
auch bei Tage keine Spur.
Ich lieb‘ meine Tochter – ich fürchte nur
Wir haben sie für immer verloren –
Verdoppelt die Wachen an den Toren!“
„Mein König, im Herzen brennt mir ein Feuer,
der geraubte Schatz ist mir zu teuer,
ich kann den Versuch nicht unterlassen
sie zu retten – ich werde im blassen
Morgenschimmer mein Pferd besteigen…“
„Herr Ritter, ich gebiete euch schweigen!
Sagt mir, was nützt all euer Lieben
Gegen diese Art von Dieben?“
„Mein Herr, ich nehm‘ euren Zorn in Kauf,
Liebe kämpft, und gibt nicht auf.
Sagt mir, wie soll ich jemals lachen
Wenn ich weiß, dass schreckliche Drachen
Meine Liebste gefangenhalten?
Meine Liebe wird nicht so schnell erkalten,
im Morgengrauen reite ich los.
Meine Hoffnung ist nicht besonders groß,
ich weiß nicht, wo ich suchen soll,
und doch will ich vertrauensvoll
diesen einsamen Weg beschreiten –
oder will mich jemand begleiten?“
„Ihr seht, es wird euch niemand begleiten.
Für alle kommen jetzt schwere Zeiten,
und daher bitte ich, denkt daran,
ihr seid hier nicht der einzige Mann
der die geraubte von Herzen liebt.
Seht aus dem Fenster, im Hofe gibt
Es einen ehrwürdigen, alten Baum.
Seht seine Äste, es gibt kaum
Einen, der nicht einmal zerbrach,
doch legt sich der Sturm, es kommt danach
eine Zeit für neues Blühen.“
„Mein König, habt dank für euer Bemühen,
doch könnt ihr mich nicht am Hofe halten.
Ich bewundere diesen standhaften alten
Baum, denn mein Herz ist wie er:
Es ist in der Lieb‘ eurer Tochter so sehr
Verwurzelt wie dieser Baum in der Erde
Und daher, mit Verlaub, ich werde
Treu in ihrer Liebe bleiben.
Es gibt manche Menschen die beschreiben
Liebe als Zustand der Gefühle.
Für mich aber ist sie die klare und kühle
Entschlossenheit, einander zu tragen –
In Guten wie in Schweren Tagen.
Mein Herr, ich sink vor euch auf die Kniee
Und…Was ist das? Mein König, Siehe –
Ich hab‘ dieses Blümlein am Boden gefunden,
ich bin mir sicher, vor ein paar Stunden
hing es noch an einem Stiel.
Euch bedeutet das sicher nicht viel
Ich aber kenn diese Blume genau,
ich sah sie bisher nur auf einer Au
in einem fernen Bergestal,
ich war dort nur ein einz’ges mal.
Die Gegend ist düster, öde und leer
Und daher eignet sie sich sehr
Als ein gutes Drachenversteck –
Ihr Blumen erfülltet euren Zweck
Ich denke sie hing in den Drachenschuppen
Und könnte sich jetzt als Hinweis entpuppen.
Wie oft schon sind Blumen Boten gewesen!
Man kann ihre Sprache nicht schreiben und lesen,
und doch scheint es ihnen besonders zu glücken
die tiefsten Gefühle auszudrücken.
Ihr gabt mir Hoffnung- ich weiß jetzt genau
Wo die Suche beginnt. Der Weg ist rau,
und die Nacht ist dunkel, wie zuvor,
doch im Herzen bricht mir die Sonne hervor!
Mein König, mein Entschluss steht fest,
wenn ihr mich jetzt nicht gehen lässt,
dann müsst ihr mich in Ketten legen!“
„So geht, Herr Ritter, mit meinem Segen.
Bringt ihr mir mein Kind zurück
Dann gönne ich euch von Herzen das Glück
Mit ihr auf meinem Schloss zu leben.
Doch niemand soll die Schuld mir geben,
wenn diese Fahr euer Ende sei.
Ich stell‘ euch für diese Reise frei.“
Es war ein ödes, trostloses Land,
wo ein einsamer Berg in der Ebene stand.
Als sie aus ihrer Ohnmacht erwachte
War das erste, was sie dachte,
ein Albtraum hatte sie erschreckt.
Doch im Morgengrau’n hatte sie entdeckt:
Sie lag in einem Drachennest!
Die Hände vor’s Gesicht gepresst
Weinte sie lange vor sich hin –
Doch wusste sie, das hat keinen Sinn,
Niemand würde ihr Weinen beachten.
Sie begann, ihr Gefängnis zu betrachten:
Es war ein roh gebautes Nest,
Äste und Zweige waren fest
Zu einer Halbkugel verflochten.
Sie fragte sich, wie lange mochten
Die furchtbaren Drachen schon hier hausen,
denn von Ihren grässlichen Schmausen
zeugten die abgenagten Knochen,
viele waren zermalmt und gebrochen.
Zerfetzte Kleidung lag umher,
Panzer, Helme und vieles mehr,
Auch so manches zerbrochene Schild.
Entsetzt von diesem grausamen Bild
Schloss sie ihre müden Augen.
Sie wusste genau, es wird nichts taugen
Einen Fluchtplan auszuhecken.
Und würde sie einen Fluchtweg entdecken
War ihr ja noch nicht mal klar,
in welchem einsamen Land sie war.
Sie kroch im Nest noch ein Stückchen weiter,
Entsetzen war ihr steter Begleiter.
Plötzlich sah sie auf dem kahlen
Boden riesige Eierschalten!
Ein kleiner Babydrachen war
Geschlüpft, nun schien ihr alles klar:
Der Babydrache hat offenbar
Noch keine Zähne, daher war
Einer der Drachen ausgeflogen
Und hatte das ganze Land durchzogen
Um zartes, frisches Fleisch zu besorgen,
und ließ sie am Leben, damit sie morgen
immer noch frisch erhalten war,
plötzlich wurde ihr auch klar,
der Drache wird bald Zähne bekommen.
Hat sie bis dahin nichts unternommen,
um sich aus dem Staub zu machen,
wird sie von einem Babydrachen
angeknabbert und dann verspeist –
Sie setzte sich nieder, und im Geist
Durchlebte sie nochmals den letzten Tag.
Kein noch so scheußlicher Drache vermag
Die Erinnerung an die Liebe zu rauben.
Hoffnung, Mut und starker Glauben
Leuchten am hellsten in dunklen Stunden,
schon mancher hat da sein Glück gefunden,
wo andere aufgegeben haben.
Liebe kann uns dazu begaben
Weiterzuleben wenn alles zerbricht.
So ist das in jeder Heldengeschicht‘:
Keiner hat das Ziel ohne Kämpfe erreicht,
der Sieg war keinem wirklich leicht –
Sie hatten vielleicht ans Aufgeben gedacht,
Doch haben sie trotzdem weitergemacht.
Sie hatten die Chance, wieder umzukehren
Doch die, die wir bis heute ehren,
das waren die, die weiterliefen
die mit Schmerzen durch die tiefen
Täler der Todesschatten kamen
Und all‘ ihren Mut zusammennahmen.
Der Ritter gab dem Pferd die Sporen,
doch gingen mehrere Tage verloren,
bis er den Rand der Berge erreichte.
Er wusste genau, es war keine leichte
Aufgabe, den Drachen zu finden,
doch konnte kein Zweifel ihn überwinden.
Stunden lang ritt er, bergauf, bergab,
manchmal Galopp, doch meistens im Trab.
Endlich wurde sein Mühen belohnt –
Er fand den Ort, wo der Drache wohnt,
Er konnte das Nest von weitem erspähen –
Doch auch der Drache hat ihn gesehen,
und mit gewaltigen Flügelschlägen
kam er ihm Feuerspeiend entgegen.
„Der Rachen des Drachen
will Feuer entfachen,
doch werd‘ ich mich wehren,
den Krieg ihm erklären,
ich werde ihn schlagen,
ins Dunkel verjagen.
Mein Schwert wird blitzen,
jeder Pfeil wird sitzen,
Mein Helm habe Dellen,
mein Schild mag zerschellen
meine Rüstung zerbricht
doch ich zittere nicht.
Zerschlagt meine Brust, mein Herz ist nicht hier,
es ist bei der Liebsten, geborgen bei ihr.“
Es dunkelte noch, als das Fräulein erwachte,
sie sah sich um, der Drache bewachte
sie nicht, wie sonst in jeder Nacht.
Sie bewegte sich ganz leis und sacht,
auch der Babydrachen schlief.
Sie lauschte, in der Ferne rief
Irgend eines Menschen Stimme!
„Es kann doch nicht sein, dass in diese Schlimme
Gegend sich ein Mensch verirrt.
Bin ich jetzt schon so verwirrt,
dass die Grenze der Realität verwischt,
sodass sich Traum und Wirklichkeit mischt?
Ich höre meinen Namen rufen –
Und klingt das nicht wie Pferdehufen?
Doch nein, es ist wahr, ich träume nicht,
da kommt ein Reiter, er ist schon dicht,
ich würde ihm gern eine Warnung geben,
denn entdeckt ihn der Drache, endet sein Leben
in des Untiers schaurigem Rachen,
doch wie kann ich mich nützlich mache?
Mein Rufen weckt den Babydrachen,
dieser wird dann fauchend erwachen,
der große Drache ist sicher nicht weit,
dann hätte der Reiter keine Zeit
sein Leben in Sicherheit zu bringen.
Es hilft nichts, ich muss meine Furcht bezwingen
Und mich jetzt nach drausen wagen,
wenn nur nicht meine Kräfte versagen!
Dann warn‘ ich den Reiter und kehre zurück,
vielleicht hat dieser Mann dann Glück
und kann auf seinem Pferd entkommen.“
Im Nu war der Rand des Nestes erklommen,
auf der anderen Seite ließ sie sich runter,
stand wieder auf und rannte munter
dorthin wo sie das Geräusch vernahm.
Als sie etwas näher kam
Bot sich ihr ein trauriges Bild:
In der Linken ein versengtes Schild,
in der Rechten ein zersprungenes Schwert
saß er tief gebeugt auf dem Pferd.
Der Umhang zerfetzt, der Helm war verloren,
die restlichen Kleider schienen zu schmoren.
Der Reiter schien versunken im Schlummer –
Sie erkannte ihn mit großem Kummer:
Es war ihr Ritter, ihr tapferer Held!
Sie rannte zu ihm, denn es schien, er fällt,
er sank zu Boden, in ihren Armen,
sie blickte in die sonst so warmen
Augen – sie waren fast verglommen,
es schien er sah sie nur verschwommen:
„Edles Fräulein, seid es ihr?“
„Ja, Herr Ritter, ich bin hier.“
„Wie schäm‘ ich mich, dass ihr mich so seht.
Es scheint mir, dass mein Leben vergeht,
könnt ihr diesen Anblick vergessen?
Ich wünschte, mich hätte der Drache gefressen,
dann würde euch die Erinnerung bleiben
und nichts könnte sie aus dem Herz euch vertreiben.
Als strahlender Held wollt‘ ich vor euch erscheinen
Und voller Tapferkeit mit meinen
Händen aus der Gefahr euch befrei’n,
jetzt aber fühle ich mich so klein.“
„Herr Ritter, so froh bin ich bei euch zu sein.
Ihr denkt doch nicht, ich liebte den Schein,
der euch in guten Zeiten umgab?
Als ich euch bei Hofe gesehen hab‘
Waren es nicht euer herrliches Wappen
Die glänzende Rüstung, der prächtige Rappen
Die meine Bliche zu euch zogen –
Der Schein hat schon so oft getrogen.
Bei keinem Tanz hab ich euch gesehen,
doch sah ich euch oft vor den Toren stehen
um unsre Mauern zu bewachen,
wenn andre tanzen, feiern und lachen.
Und kamt ihr von einer Schlacht nach Hause,
dann wart ihr nur selten beim Siegesschmause,
ihr habt die Verwundeten Freunde gepflegt,
und manchen Verband auch euch selbst angelegt.
Viele suchen im Rittertum Ehre,
doch wissen sie nicht, dass es oft eine schwere
und ermüdende Aufgabe bleibt,
wenn man sich auf die Fahne schreibt,
andren zu dienen mit seinem Leben,
und nicht nach eigener Ehre zu streben.
Ihr, Herr Ritter, seid solch ein Mann,
dem ich mich anvertrauen kann.
Ich weiß, die meisten Männer sehen
In mir nur eine von vielen Trophäen,
die man sich in die Wohnung stellt,
zumindest solange sie ihm gefällt.
Und darum braucht ihr euch nicht zu schämen,
würde man euch alles nehmen
woran wir einen Ritter erkennen –
euren wahren Wert kann man nicht von euch trennen.
So legt den Kopf auf meinen Schoß,
lasst eure Schmerzen und Sorgen los.
Morgen verlassen wir diese Stelle
Und suchen eine frische Quelle
Sicher werden wir bald eine finden,
dort will ich eure Wunden verbinden.“
Thomas Baumgärtner (Oktober 2019)